In diesem Beitrag möchte ich euch eines meiner großen Vorbilder vorstellen, den norwegischen Staatsfonds. Das skandinavische Land mit seinen 5,4 Millionen Einwohnern hat nicht nur landschaftlich einiges zu bieten (was ich im Jahr 2015 am eigenen Leib erfahren durfte), sondern auch ein Finanzministerium, das sich nicht von Wahl zu Wahl bzw. Budget zu Budget hantelt, sondern sehr langfristig investiert und dadurch das Vermögen der Norweger für die nachfolgenden Generationen sichert und sogar ausbaut. Wie die das machen, und was wir davon für unsere eigene private Zukunftsvorsorge lernen können, schauen wir uns in diesem Beitrag an.

Geschichte
Das Jahr 1969 verbinden die meisten Leute mit der ersten bemannten Mondlandung, doch vor allem für die Norweger war das der Beginn von etwas ganz Großem: Am 23.12.1969 fand man in der Nordsee Öl, richtig viel Öl und die Förderung wurde 1971 aufgenommen. Dabei hatten sie ziemliches Glück, denn das Ölfeld mit dem Namen Ekofisk liegt nur knapp nördlich der dänischen Grenze.
That’s one small step for man, one giant leap for mankind.
Neil Armstrong
Die nächsten Schritte:
- 1974 befasste sich das Finanzministerium zum ersten Mal mit dem Gedanken, wie man die Öl-Einnahmen sinnvoll für die Gesellschaft verwenden kann.
- 1983 schlug ein Komitee unter der Leitung des norwegischen Nationalbank-Governeurs Hermod Skånland eine Auflage eines Fonds vor, wo die Regierung, die durch die Ölförderung erzielten Gewinne sinnvoll anlegen soll und nur die Realrenditen entnommen werden dürfen.
- 1990 wird schließlich der Government Petroleum Fonds und damit der Vorgänger des jetzigen Staatsfonds ins Leben gerufen
- Bis 1997 bestand der Fonds nur aus Staatsanleihen, dann wurde aber das Potential von Aktien erkannt und deren Quote auf 40% gesetzt, also 60% Anleihen, 40% Aktien.
- Im Jahr 2000 wurden die ersten Emerging Markets in den Index aufgenommen: Brasilien, Griechenland, Mexiko, Südkorea, Taiwan, Thailand und die Türkei
- Seit 2002 sind auch Unternehmensanleihen Bestandteil des Fonds
- Im Jahr 2006 wurde der Fonds in den bis heute bestehenden Namen Government Pension Fund Global (GPFG) umbenannt.
- 2007 erfolgte eine Erhöhung der Aktienquote von 40% auf 60%
- Seit 2008 sind auch Immobilien mit maximal 5% erlaubt, in die dann 2011 zum ersten mal investiert wurde
- 2019 wurden 10000 Mrd NOK (umgerechnet 1000 Mrd €) geknackt, wobei die Hälfte dieses Werts durch die Rendite der Investments erwirtschaftet wurde.
- Seit 2019 investiert der Fonds auch in nicht börsengelistete Infrastruktur für erneuerbare Energie.
- Stand 2022 beträgt die Aufteilung: 72,3% Aktien, 25,2% Anleihen, 2,4% Immobilien und 0,1% erneuerbare Energie Infrastruktur

Der Zweck des Pensionsfonds ist es staatliche Ersparnisse und Einnahmen sinnvoll anzulegen, um die steigenden Kosten des Pensionssystems und andere langfristige Entwicklungen durch die Umsätze aus den fossilen Rohstoffen zu finanzieren. Ein langfristig ausgerichtetes Management des Fonds liefert einen Beitrag um generationenübergreifend Kapital anzulegen, damit die jetzigen und zukünftigen Generationen von den aktuellen Einnahmen aus fossilen Rohstoffen profitieren.
Kurzbeschreibung des norwegischen Pensionsfonds. Quelle: www.regjeringen.no
Der Fonds im Detail
Stand Ende Q2 2022 verwaltete der Fonds ein Vermögen von 11 657 000 000 000 norwegische Kronen (NOK), umgerechnet 1 124 000 000 000 € (1124 Milliarden €), somit hat jeder Norweger und jede Norwegerin einen Anteil von 208 000€. Das macht diesen Fonds zu einem der größten Aktionäre der Welt. Sozusagen gehören dem Fonds über 1% der gesamten (börsengelisteten) Weltwirtschaft, oder anders ausgedrückt: In jedem börsengelisteten Unternehmen weltweit ist der Staat Norwegen, und damit seine Einwohner, mit über 1% beteiligt. In den letzten 20 Jahren wurde im Mittel eine gigantische Rendite von 6,2%/Jahr erwirtschaftet. Von solchen Zahlen können die Fondsmanager der Hausbankfonds nur träumen. Betrachtet man nur die erhaltenen Dividenden von den Beteiligten Unternehmen für das Jahr 2021, so summierten sich diese, laut Jahresbericht, auf 166 Mrd NOK oder umgerechnet 16,6 Mrd €. Das ist sind fast 20% des österreichischen Budgets!
Aber was macht diesen Fonds so erfolgreich? Um das herauszufinden, schauen wir uns die Asset-Allokation an: Genau genommen besteht der norwegische Staatsfonds aus 2 Teilen. Den Government Pension Fund Global (kurz: GPFG) mit einem Anteil von ca. 97,5% und den Government Pension Fund Norway (kurz: GPFN) mit einem Anteil von 2,5%. Der Einfachheit halber wird in diesem Beitrag nur der GPFG vorgestellt.

Wie im Abschnitt zur Geschichte schon beschrieben, besteht der Fonds aus Aktien, Anleihen, Immobilien und Infrastruktur für erneuerbare Energien. Ich werde hier, um den Rahmen dieses Beitrags nicht zu sprengen, nur die ersten drei Anlageklassen etwas näher beschreiben, da sie zusammen über 99% des Fondsvermögens ausmachen.
Der Aktienanteil besteht aus 9338 Firmen aus 65 Ländern und das sagt schon sehr viel über die Strategie dieses Fonds aus: Breite Diversifizierung. Es ist quasi die ganze Weltwirtschaft, die investierbar ist, im Fonds vertreten. Ein Konzept, welches auch im Long Run Value Portfolio seine Anwendung findet. Die größten Positionen sind:
- Apple – 21 Mrd €
- Microsoft – 20 Mrd €
- Alphabet – 14 Mrd €
- Amazon – 12 Mrd €
- Nestle – 9 Mrd €
Da ich als Österreicher natürlich daran interessiert bin, in welche rot-weiß-roten Unternehmen der Fonds investiert, hier die 5 größten Beteiligungen von insgesamt 34 aus meinem Heimatland:
- Erste Group Bank AG – 259 Mio €
- OMV AG – 181 Mio €
- Verbund AG – 152 Mio €
- Wienerberger AG – 108 Mio €
- Andritz AG – 79 Mio €
Auch an meinem Arbeitgeber ist der Staat Norwegen zu 1,03% mit 33 000 000 € beteiligt.

Anleihen hält der Fonds sowohl von Staaten als auch von Unternehmen, insgesamt 1365 Positionen aus 50 Ländern dieser Welt. Auch hier ist eine breite Diversifizierung das oberste Gebot. Die größten Positionen sind:
- USA Staatsanleihen – 88 Mrd €
- Japan Staatsanleihen – 37 Mrd €
- Singapur Staatsanleihen – 13 Mrd €
- Deutschland Staatsanleihen – 12 Mrd €
- UK Staatsanleihen – 9 Mrd €
Auch bei den Immobilien lässt es sich der Fonds nicht nehmen, weltweit sein Fühler auszustrecken und ist insgesamt an 885 Objekten beteiligt, wobei der Fokus auf folgende Immobilien liegt:
- Industrie
- Einkaufszentren
- Bürogebäude
Dazu zählen Immobilien in Top-Lagen wie an der Regent Street in London, auf dem Champs Elysees in Paris oder rund um den Times-Square in New York.

Was ich an diesem Fonds besonders toll finde, ist seine Transparenz. Auf der Homepage findet man wirklich alles, ja sogar wie sie in den Aufsichtsratssitzungen der Unternehmen, an denen sie beteiligt sind (und das sind ziemlich viele), abgestimmt haben. Es gibt einen Podcast mit dem CEO, wo er regelmäßig Konzernlenker aus der ganzen Welt zu Gast hat. Schaut doch mal selbst auf die Homepage www.nbim.no und ihr werdet begeistert sein.
Every single Norwegian has a stake in the fund, which is there to benefit both current and future generations.
Nicolai Tangen, CEO Norges Bank Investment Management (NBIM)
Kann man den norwegischen Staatsfonds nachbauen?
Natürlich geht das, aber mit Einschränkungen. Die erste Möglichkeit wäre ein System mit 3 ETFS: Einen für den Aktienanteil (Vanguard FTSE All-World UCITS ETF (USD), ISIN: IE00BK5BQT80), einen für den Anleihen Anteil (iShares Global Government Bond UCITS ETF, ISIN: IE00BYZ28V50) und einen weiteren für Immobilieninvestments (iShares Developed Markets Property Yield UCITS ETF, ISIN: IE00B1FZS350). Das ist eine sehr einfache Möglichkeit sich sowas ähnliches wie den GPFG zusammen zu zimmern.
Während meiner Recherche zu diesem Thema bin ich auf eine Lösung von Extra ETF gestoßen (LINK), mit der man den Fonds mit 10 ETFs nachbauen kann. Die Kostenquote ist mit 0,16%/Jahr äußerst gering und man ist mit dieser Lösung schon etwas näher dran am Original.
Eine 1:1 Kopie des Fonds ist nicht möglich, da beispielsweise auch Produkte in diesem Fonds vorhanden sind, die Privatanlegern nicht zugänglich sind. Außerdem wäre das Verwalten von über 9000 Positionen allein im Aktienteil eine Mammutaufgabe, sowohl für den Investor als auch für den Broker, der dann wahrscheinlich in die Knie gehen wird.

Was Kann man Selbst von diesem Fonds Lernen
Was mich an den Norwegern und ganz besonders an diesem Produkt beeindruckt, ist der Weitblick. Da wird nicht von Wahl zu Wahl dahingewurschtelt, sondern generationenübergreifend und auch für die Zeit nach dem Öl darüber nachgedacht, was das Beste für Alle ist. Ich wünschte ich könnte das über unsere Volksvertreter sagen, aber da scheint es wichtiger zu sein einen goldenen Flügel ins Foyer zu stellen und alle seine Parteifreunde mit irgendwelchen Posten zu beglücken.
Auch die breite Streuung ist eine Eigenschaft, die auch ich in meinem Long Run Value Portfolio als essentiell erachte. Mehr zu diesem Thema gibt es in meinen Strategiebeiträgen (Teil 1 und Teil 2)
Durch die gelebte Transparenz des Fonds, kann man, allein wenn man sich etwas auf der Homepage umsieht, schon sehr viel für seine eigene Anlagestrategie lernen.
Als wichtigstes Take-Away kann man jedoch folgendes mitnehmen: Wäre der Aktienmarkt ein Casino (wie immer wieder von vielen, vor allem in Österreich und Deutschland, behauptet wird), würde dann ein Land, das eine Riesen-Verantwortung für seine aktuellen und zukünftigen Einwohner hat, mit 72% seiner insgesamt knapp 1300 Mrd € mit gutem Gewissen darin investieren? Die Norweger machen es, und ich in einem kleineren Rahmen auch!
Haftungsausschluss: Long Run Value betreibt keinerlei Rechts-, Steuer- oder Anlageberatung und spricht keine Handlungsempfehlungen aus. Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr. Wertentwicklungen der Vergangenheit sind kein Indikator für zukünftige Wertentwicklungen.
2 Gedanken zu “Zukunftsvorsorge der Norweger”