Angesichts der aktuellen Krisen wie Ukraine-Krieg, Inflation, Covid-Pandemie und wie sie alle heißen, ist vor allem uns in Europa schnell klar geworden, dass wir alles andere als Weltmeister der Krisenbewältigung sind. Krisen bewältigt man, indem man proaktiv handelt, entsprechend darauf reagiert und sich anpasst. Genau das ist Resilienz. Doch was braucht es, um uns alle resilienter zu machen? Wie können wir zukünftige Krisen meistern? Welche Lehren können wir aus der Vergangenheit ziehen? All diese Fragen werden in dem genialen Buch „Die resiliente Gesellschaft: Wie wir künftige Krisen besser meistern können“ des an der Princeton University beschäftigten Professors für Volkswirtschaftslehre, Markus K. Brunnermeier, beantwortet. Für alle die noch was für unter dem Christbaum suchen, ein Buch ist immer ein sinnvolles Geschenk, vor allem dieses. In diesem Beitrag möchte ich euch meine Interpretation von Resilienz näher bringen.

Was ist Resilienz
Vergleichen wir einen Baum und einen Grashalm, die beide einem starken Wind ausgesetzt sind. Der Baum kann bis zu bestimmten Windstärken unbeeindruckt bleiben, wird jedoch, wenn die Windstärke zu stark ist, entwurzelt werden. Im Vergleich dazu, verbiegt sich ein Grashalm wenn er einem sehr starken Wind ausgesetzt ist. Er passt sich also an und ist somit resilienter gegen den Windeinfluss. Flaut der Wind ab, merkt man dem Grashalm relativ wenig an, während ein entwurzelter Baum einen bleibenden Schaden davonträgt. Resilienz hat nichts mit Stärke oder Macht zu tun, sondern es geht alleine um die Fähigkeit sich anzupassen und idealerweise gestärkt aus solchen temporären Ereignissen hervorzugehen. Brunnermeier verwendet in seinem Buch auch den Begriff des Zurückfederns nach Schocks aus einem Ereignis. Umgemünzt auf die heutige Zeit ist der Angriff von Russland auf die Ukraine ein solcher Schock, der speziell Europa gezeigt hat, das auf Resilienz in den letzten Jahren und Jahrzehnten wenig Wert gelegt wurde.
Beispiele von Resilienz
Wie wichtig Resilienz ist, sehen wir bei Kleinkindern, wenn sie ihre Fortbewegungsart vom Krabbeln hin zum Gehen ändern. Bei jedem Versuch sich auf 2 Beinen fortzubewegen, gibt es zig Rückschläge, wo das Kind auf seinem Hintern landet. Jeder dieser Rückschläge (Schocks) lehrt dem Kind, wie Gehen nicht funktioniert. Dieser kontinuierliche Prozess, auch genannt Trail & Error, führt durch immer bessere Reaktion auf Schocks schließlich zur Transformation vom Krabbeln zum Gehen. Resilienz ist also in unserer DNA, was wir uns immer wieder bewusst machen sollten.
Ein anderes Beispiel ist das Unternehmen SpaceX von Elon Musk, welches zu Beginn zig Fehlschläge einstecken musste und von allen Seiten belächelt wurde. Aus diesen Schocks zog man allerdings die richtigen Schlüsse und ist heute, 20 Jahre nach der Gründung, aus der Raumfahrt nicht mehr wegzudenken.
Beide vorhin genannten Beispiel basieren auf dem Eingehen von Risiken. Ein Baby könnte zum Beispiel für immer krabbeln, sich füttern lassen, in die Windeln machen und in seiner Komfortzone bleiben. Aber wir Menschen sind einfach anders gestrickt (Ausnahmen bestätigen die Regel) und daher bin ich auch optimistisch, dass die Gesellschaft im Allgemeinen immer weiter versucht, durch Innovationen sich und ihre Umwelt zu verbessern. Man braucht sich nur die sehr positive Entwicklung der Armut auf dieser Welt ansehen: Anfang der 90er Jahre lebten 1.9 Milliarden Menschen (36 % der damaligen Weltbevölkerung) in extremer Armut. 30 Jahre später sind es 650 Millionen (8 % der Weltbevölkerung). Es geht uns also heute so gut wie nie zuvor!
Investitionen, Innovation und Unternehmertum basieren alle auf dem Eingehen von Risiken. Oft profitiert die
Markus K. Brunnermeier. Die resiliente Gesellschaft.
Gesellschaft, wenn in Forschung und Entwicklung Risiken eingegangen werden.
Was können wir aus Krisen lernen?
Wenn das Stichwort „Krise“ fällt, denkt man natürlich sofort an die Corona-Pandemie, wo die Weltwirtschaft innerhalb sehr kurzer Zeit praktisch angehalten wurde. Klar hatte man während dieser Zeit des Öfteren den Eindruck, dass die Regierungen nicht so recht wussten, was sie da eigentlich an Vorschriften und Regeln beschlossen hatten, aber seien wir mal ehrlich, recht viel Zeit, die ganzen Konzepte richtig durchzudenken, war nicht vorhanden und im Nachhinein betrachtet haben wir viel falsch gemacht, aber doch auch einiges richtig. Besonders resilient hat sich dabei das weltweite Wirtschaftssystem erwiesen, welches sich nach dem Schock des totalen Stillstands eigentlich ziemlich schnell wieder erholt hat. So hat zum Beispiel der Einzelhandel, der sich schon vor Corona in einem langsamen Umbruch vom stationären Handel hin zum Online-Handel befand, seine Transformation um ein Vielfaches beschleunigt. Auch die Regierungen haben aus der Finanzkrise vor ca. 15 Jahren gelernt und sind sofort mit Hilfspaketen in den Kampf gegen die Krise gezogen. Dass sie es dabei etwas übertrieben haben, steht auf einem anderen Blatt. Die Auswirkungen spüren wir jetzt in Form von hoher Inflation.
Auch der Ukraine-Krieg trägt dazu bei, dass sich die Transformation hin zu erneuerbaren Energien gerade extrem beschleunigt. Dass Putin schon 2014 seine Ambitionen der Welt klargemacht hat und wir uns als Europa trotzdem diesen Kerl als Hauptgaslieferant ausgesucht haben (und damit unsere Resilienz gesenkt haben) macht die Sache nicht leicht. Hätte man damals schon die Transformation aus eigener Kraft, und nicht durch einen externen Schock, etwas mehr angeschoben, hätten wir jetzt entspanntere Zeiten. Der Schmerz der höheren Energiekosten tut jetzt halt mehr weh, aber die Transformation hätte so und so stattfinden müssen, nur wäre sie bei einer etwas weniger naiven Haltung, für uns alle erträglicher. All das ist zwar holprig und bestimmt kein Honiglecken, aber es hat das Potenzial, dass wir aus solchen Schocks gestärkt hervorgehen könnten. Ob das auch diesmal so ist, wird sich zeigen, aber ich glaube daran.
Was hätte uns also im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg resilienter gemacht? (Über solche Pläne hätte man spätestens ab 2014, wo die Krim überfallen wurde, nachdenken müssen)
- Diversifizierung der Energie- und Rohstofflieferanten: Man minimiert also das Totalausfallrisiko durch Streuung auf so viele Lieferanten wie möglich (der aufmerksame Leser wird hier den Ansatz meiner Strategie erkennen)
- Vereinigte Staaten von Europa: Die EU ist zwar ein tolles Konstrukt, aber wir sind immer noch ein Fleckerlteppich an Nationen, welche zu oft unterschiedlicher Meinung sind.
- Hoher Grad an Eigenversorgung: Kann man sich selbst zu einem hohen Grad mit Energie, Rohstoffen, Gütern, etc. versorgen, so fällt der Ausfall eines Lieferanten weniger ins Gewicht.

Die Ultimative Krise: Der Klimawandel
Anders als alle bekannten Krisen, ist der Klimawandel kein Schock, sondern ein Prozess. Er ist zwar bei einem Großteil der Bevölkerung als Krise anerkannt, aber einige halten ihn immer noch für eine Erfindung der Chinesen. Wie werden wir also resilient gegen den Klimawandel?
Man kann sich dem Kampf gegen den Klimawandel auf 3 Wegen annähern:
- Abmilderung: Durch Reduzierung der Emissionen von Treibhausgasen mildert man den Treibhauseffekt ab. Das kann zum Beispiel durch Elektromobilität die Reduzierung von CO₂ sein, oder auch durch weniger Fleischkonsum verminderte Methan-Emissionen.
- Anpassung: Deiche, die Gebiete unter dem Meeresspiegel bewohnbar machen oder auch ein Wegzug in höher gelegene Regionen sind 2 Beispiele.
- Verbesserung: Reduktion der Sonneneinstrahlung über Ausbringung von Aerosolen in der Atmosphäre oder Kohlendioxidabscheidung aus der Atmosphäre sind unter anderem hier zu nennen.
Idealerweise verfolgen wir alle 3 Arten mit gleicher Vehemenz, um uns nicht von einer Art, die dann möglicherweise scheitern wird, abhängig zu machen. Diversifikation ist auch hier sehr wichtig. Wenn wir uns alle 3 Möglichkeiten oben genauer ansehen, so erkennen wir, dass es für alle Beispiele Unternehmen braucht, die das dann auch in die Praxis umsetzen:
- Autobauer, die Elektroautos bauen.
- Lebensmittelkonzerne, die Fleischersatzprodukte herstellen.
- Stahlkonzerne, die Komponenten Hi-Tech Deiche produzieren.
- Bauunternehmen, die Häuser für, aus niedrigen Lagen geflüchtete, Menschen bauen.
- Chemiekonzerne, die Aerosole für die Atmosphäre bereitstellen.
- Unternehmen für die Kohlendioxidabscheidung.
Wie man an dieser simplen Auflistung schon erkennt, gibt es ordentlich was zu tun im Kampf gegen den Klimawandel. Das wird jedoch nur funktionieren, wenn wir global an einem Strang ziehen. Die Technologien gibt es bereits, wir müssen das Ganze aber jetzt sehr schnell auf ein praktikables Niveau hochskalieren. Dabei braucht es eine weitsichtige Politik, gigantische Investments und entsprechendes Konsumentenverhalten.
Was mich allerdings sehr zuversichtlich stimmt, ist die Tatsache, dass Unternehmen gezwungen sind, im Angesicht der gigantischen Herausforderungen, innovativ genug zu sein, um diese Phase überleben zu können. Das liest sich zwar etwas bedrohlich, hat aber immer noch dazu geführt, dass die Weltwirtschaft als Ganzes weiter wächst. Jeden Tag werden diese Unternehmen alles geben, um sich in einem hart umkämpften Markt durchzusetzen.
Da reiche Haushalte wissen, dass sie einen negativen Schock sehr wahrscheinlich überstehen werden, können sie größere Risiken eingehen. Möglicherweise sind sie eher geneigt, in risikoreichere Anlagen zu investieren, die langfristig höhere Renditen erwarten lassen. Ärmere, weniger resiliente Haushalte können sich diese Volatilität nicht leisten und verzichten eher ganz auf diese riskante, wenn auch profitable Möglichkeit.
Markus K. Brunnermeier. Die resiliente Gesellschaft.
Fazit
Die Menschheit ist aus jeder Krise immer gestärkt hervorgegangen, somit geht es uns heute so gut wie nie zuvor. Wir als Spezies, haben also bewiesen, dass wir, trotz aller existierenden Probleme einen hohen Grad an Resilienz erreicht haben. Dennoch erfordert speziell der Klimawandel, dass wir kontinuierlich an der Steigerung dieser Resilienz arbeiten. Diese Steigerung ist nur möglich durch Innovationen, welche die Treiber der Weltwirtschaft sind. Darum mache ich mir herzlich wenig Sorgen mit meinem Investment-Ansatz, sondern freue mich, von diesen Innovationen finanziell profitieren zu können. Doch viel wichtiger ist, dass diese Entwicklung die Menschheit als Ganzes voranbringt und unsere Folgegenerationen auch in 100 Jahren sagen können: Heute geht es uns so gut wie nie zuvor!
Dieser Beitrag ist der Letzte vor dem Heiligen Abend und ich wünsche euch hiermit frohe Weihnachten und ein braves Christkind.

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