Nach ein paar Romanen, habe ich wieder mal ein Finanzbuch gelesen, was sich nicht nur mit den Finanzen an sich beschäftigt, sondern auch mit den menschlichen Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Finanzen im Laufe des Lebens. „Behavioral Finance“ nennt sich diese, doch noch sehr junge Disziplin der Wissenschaften. Was rational betrachtet das Beste ist, wissen wir alle, aber wir Menschen sind keine Maschinen, die, wenn A eintritt, B machen, sondern höchst komplexe Wesen in einem ebenso komplexen System, wo unendlich viele Einflüsse unsere Entscheidungen beeinflussen. Der Autor zitiert sehr oft aus dem von Daniel Kahneman verfassten Meisterwerk „Thinking, fast and slow„, welches ich ebenfalls schon gelesen habe und ich jeden empfehlen kann, der das noch nicht gemacht hat. Darin wird beschrieben, dass unser Gehirn mit 2 verschiedenen Systemen arbeitet: System 1 der Instinkte, Emotionen, usw., das schnell und mühelos arbeitet (thinking fast) und System 2 der überlegten Entscheidungen, Logik, usw., welches mentale Kapazitäten benötigt (thinking slow) und da der Mensch von Natur aus (Stichwort: Weg des geringsten Widerstands) eher System 1 bevorzugt, sind unsere Entscheidungen nicht immer die sinnvollsten. Doch nun genug von Kahneman’s Weisheiten. Widmen wir uns dem Buch „Financial Wellbeing: Die 10 Money- und Mindset-Bausteine für ein krisenfestes, glückliches und erfolgreiches Leben„

Der Autor
Thomas Mathar leitet seit 2017 das Zentrum für Verhaltensforschung bei Aegon UK, einem der führenden Anbieter von Investitions- und Finanzdienstleistungen Großbritanniens. Hier untersucht er in großen Studien die Instinkte, Motivationen, Fähigkeiten und Umweltfaktoren, die Menschen dazu bringen – oder davon abhalten –, langfristig bessere finanzielle Entscheidungen zu treffen (Quelle: Gabal). Er stammt aus Deutschland, lebt aber mittlerweile mit seiner Familie in Edinburgh. Wer mehr über ihn und auch dieses Buch erfahren will, kann entweder hier weiterlesen oder sich den Podcast von welt.de reinziehen, den ich euch hier verlinkt habe.
Der Inhalt
Ich werde hier nicht alle 10 Bausteine einzeln auflisten und etwas dazu schreiben, sondern einfach die, aus meiner Sicht, wichtigsten Take-aways aus diesem Buch versuchen, mit meinen Worten für euch aufzubereiten.
Zunächst einmal ist da der Umgang mit Krisen. Verfolgt man die Medien, so scheint es, als ob die Erde kurz davor steht „in die Luft zu fliegen“. Sei es durch Kriege, den Klimawandel oder durch einen Kollaps des Finanzsystems, es kommen jederzeit News, die uns eine Welt aufs Smartphone zaubern, die einfach verzerrt ist. Krisen hat es immer gegeben und wird es auch immer geben. Durch unsere gesteigerte Lebenserwartung werden wir mit ziemlicher Sicherheit auch mehr Krisen erleben als die Generationen vor uns. Um sich gegen Krisen mental zu wappnen, hilft es uns bewusst zu machen, dass wir gegen alle Krisen, die aus aller Welt auf uns einprasseln, als Einzelperson relativ wenig machen können und wir diesen Dingen daher weniger mentale Kapazität (=Aufmerksamkeit) schenken sollten.
Außerdem hilft es, sich einmal eine Nachrichtensendung von vor 20 oder noch mehr Jahren anzusehen. Was werden wir erkennen: Auch damals gab es Krisen, die natürlich auch in den Nachrichtensendungen mit bestem Videomaterial in Szene gesetzt wurden!
Und wem das immer noch nicht reicht, der soll sich am besten das von Hans Rosling verfasste Buch: Factfulness besorgen, wo faktenbasiert dargelegt wird, wie gut es uns, trotz aller Krisen, heute geht.

Ein weiterer Punkt, der in diesem Buch behandelt wird, ist die Wichtigkeit von Geld. Es gibt viele Menschen, denen Geld anscheinend nicht wichtig ist. Doch sieht man sich mal die Umgebung an, in der wir leben, so wird das Leben doch recht schnell nicht mehr so angenehm, würde man 1 Monat auf Geld verzichten. Jeder, der behauptet, Geld sei nicht wichtig, rate ich zu diesem Selbstexperiment.
Vor allem, wenn man wenig davon hat, sollte man in erster Linie darauf achten seine Geldzuflüsse zu steigern und nicht nur stur die Ausgaben zurückfahren. Ich finde Frugalismus zwar interessant, aber man sollte sich auch was gönnen im Leben.
Eine interessante Fragestellung, die im Buch behandelt wird: Wie viel Geld macht eigentlich glücklich? Die Antwort wird sehr individuell ausfallen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Einfluss der Umgebung auf einen selbst.
Wenn Statussymbole wie Luxusautos häufiger vor Ort vorkamen, hatte dies einen erheblichen Einfluss auf Einkommens- und Lebenszufriedenheit. Oder mit anderen Worten: Wir beurteilen unsere Einkommens- und Lebenszufriedenheit nicht anhand unserer objektiven Situation. Wir beurteilen sie anhand des Vergleichs zu anderen. Und zu wohlhabende Leute um uns herum machen uns unglücklich.
Thomas Mathar, Financial Wellbeing
Daraus abgeleitet bedeutet das, dass wir, wenn wir uns nicht ständig vergleichen mit anderen Leuten, glücklichere Menschen sein könnten. Es wird immer irgendjemand geben, der reicher und schöner ist, als wir selbst. Alleine dieser Satz macht uns wohl eine Spur glücklicher.
Was mich immer wieder stört, und in den sozialen Medien mehr und mehr aufpoppt sind Sachen wie: „Verzichtest du jeden Morgen auf den Coffee to go, und investierst das damit monatlich gesparte Geld über einen Sparplan in einen ETF, hast du nach 40 Jahren X €.“ Das mag auch stimmen, aber was hier außen vor gelassen wird, ist die emotionale Dividende des Kaffees am Morgen. Wir sind halt keine Maschinen, die, wenn A eintritt, B machen und so weiter, sondern wir sind zutiefst emotionale Wesen, und das ist auch gut so. Auch das gehört zum Glücklichsein dazu, und das Buch geht sehr stark darauf ein.
Ich habe zwar schon meine private Altersvorsorge mittels ETFs gestartet, aber für alle, die das noch nicht gemacht haben, aus welchen Gründen auch immer, liefert der Autor einen Anstoß, wie auch diese Menschen es hinbekommen können. Die folgenden Punkte gelten nicht nur für die private Altersvorsorge, sondern können für viele „Projekte“, wie zum Beispiel Rauchen aufhören, Sport machen, Abnehmen, usw. angewendet werden.
- Make it Easy: ohne Hürden und ohne große geistige Anstrengung oder Nachdenken
- Make it Attractive: Es zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich (auf ansprechende, zum Beispiel humorvolle Weise)
- Make it Social: Es bezieht andere mit ein, die uns unterstützen oder die sich ähnlich verhalten (wollen)
- Make it Timely: Die Aufforderung zum Handeln erfolgt zu einem Zeitpunkt, an dem wir eher bereit sind, es auch wirklich zu tun.
Für die private Altersvorsorge könnte das so aussehen:
- Make it Easy: Automatischer Sparplan, der einmal pro Monat in ein Anlageprodukt investiert
- Make it Attractive: Belohne dich beim Erreichen bestimmter Meilensteine
- Make it Social: Tausche dich mit anderen über das Thema aus. Über Geld spricht man!
- Make it Timely: Starte am Jahresanfang, deinem Geburtstag, etc.
Hier noch ein paar Investment-Faustregeln aus dem Buch:
- Die laufenden Kosten des Sparplans – Fonds und Ordergebühren – sollten sehr niedrig sein. Also alle Hausbankfonds scheiden hier schon einmal aus. Wer das nicht glaubt, dem seien meine Beiträge dazu ans Herz gelegt.
- Der Anteil an Aktien sollte 100 minus Ihr Lebensalter betragen. Je nach Risikotragfähigkeit kann dieser Wert aber nach oben oder unten korrigiert werden.
- Zahlen Sie monatliche Beiträge in den Fonds, und lassen Sie Ihr Portfolio in Ruhe – schauen Sie es sich am besten gar nicht an.
- Heben Sie im Ruhestand 4 % Ihres ersparten Vermögens pro Jahr ab.
Bezugnehmend auf das Thema „Nachrichten“, zum Abschluss noch ein Zitat eines Schweizer Philosophen:
Die Nachrichten sind einer der größten Verursacher von Angst, Verwirrung und Furcht in der modernen Welt. Die Geschäftsmodelle der Zeitungen brauchen die Krise. Denn wenn alles in Ordnung oder wie immer wäre, dann gäbe es nichts Spannendes, Aufregendes oder Aufmerksamkeitserregendes zu berichten. Aber der Preis von Übertreibung und einseitiger Berichterstattung ist, dass sie uns Gelassenheit und Weitblick nehmen.
Alain de Botton
Fazit
Ein tolles Buch, was auch über den Tellerrand hinausblickt und die emotionale Komponente unserer Entscheidungen beleuchtet. Gerade dieser Teil wird in vielen Finanzratgebern wenig bis gar nicht behandelt. Ich glaube, die Vertreter des Forschungsfelds „Financial Wellbeing“ werden uns in Zukunft noch mit vielen tollen Büchern versorgen, und ich kann es kaum erwarten, diese zu lesen.
Haftungsausschluss: Long Run Value betreibt keinerlei Rechts-, Steuer- oder Anlageberatung und spricht keine Handlungsempfehlungen aus. Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr. Wertentwicklungen der Vergangenheit sind kein Indikator für zukünftige Wertentwicklungen.

Ein Gedanke zu “Financial Wellbeing”